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Berg-Karabach zwischen Krieg und Frieden
Der Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan im Südkaukasus
von Larissa Willamowski
Am 27. September 2020 eskalierten Kampfhandlungen armenischer und aserbaidschanischer Truppen in Südkaukasus innerhalb weniger Tage zu einem zwischenstaatlichen Krieg (Stöber 2020). Dieser Ausbruch kommt erschreckend, wenn auch nicht überraschend, zumal sich die Beziehungen beider Staaten in den letzten Jahren zunehmend verschlechtert haben (Gasparyan 2019). Sechs Wochen hielten die blutigen Auseinandersetzungen an, bis in der Nacht vom 9. auf den 10. November unter der Vermittlung des russischen Präsidenten Vladimir Putin bei einem zweiten Versuch ein neuer und, bis heute, weitestgehend eingehaltener Waffenstillstand ausgehandelt werden konnte (Stöber 2020). Im Zuge des diesjährigen rC3 möchte ich den wiederaufgeflammten Konflikt um die Region Berg-Karabach in einem Vortrag aufarbeiten. Ich argumentiere, dass mehr Sichtbarkeit und Transparenz für diesen Konflikt geschaffen werden muss, was sich erstens durch die Involvierung von Regionalmächten, wie der Türkei, und Großmächten, allem voran Russlands, begründet (Abushov 2019). Auch die Rolle des Westens soll beleuchtet werden, denn daraus folgt, dass dieser regionale Konflikt eben doch auf die internationale Ebene rückwirkt. Zweitens ist die Erhältlichkeit von Informationen vor Ort sehr eingeschränkt. Deshalb wird durch den Vortrag versucht, durch journalistische Beiträge einen Mehrwert für die Informationsbeschaffung zu leisten. Das soll der Vermischung der Narrativen der Akteure entgegenwirken. Drittens beschuldigen sich die Konfliktparteien des Bruchs des humanitären Völkerrechts durch den Beschuss ziviler Ziele. Das Schweigen der internationalen Gemeinschaft zu diesen Vorwürfen ist zu laut, um nicht auf diesen Punkt aufmerksam zu machen. Viertens stellt sich nach einer, aus armenischer Sicht, zerschmetternden Niederlage Armeniens die Frage, wie es nach dem Krieg weitergehen soll. Was passiert mit den mehr als 75.000 Menschen vor Ort, die aufgrund des Krieges ihre Heimat verloren haben und sich auf der Flucht befinden? Realistische Lösungsansätze die auf eine Vermeidung einer Re-eskalation des Konflikts abzielen und die die katastrophalen Umstände vor Ort in den Vordergrund rücken, müssen öffentlich diskutiert werden.
Ursprünge des Konfliktes:
Der Bruch der UdSSR führte zu gravierenden Strukturänderungen im internationalen System, dessen Folgen der Region des Südkaukasus bis heute nicht erspart bleiben. 1991 eskalierten bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen Armenien und Aserbaidschan in einem dreijährigen Krieg. Konfliktgegenstand ist damals so wie heute die Region um Berg-Karabach.
Russland schaffte es in seiner Rolle als OSCE Mediator die Konfliktparteien im Mai 1994 zu einem Waffenstillstandsabkommen zu bewegen (Abushov 2019). Dieses Abkommen stellt einen wichtigen Moment dar, denn seit jeher konnte selbst nach 26 Jahren intensiver Friedensverhandlungen unter der Aufsicht der Troika Gruppe (RU, FR, USA) nicht mehr garantiert werden, als die bloße Weiterführung eines Waffenstillstandes. Basierend auf dem fortwährenden „no war – no peace“ Status warnen Forscher*innen seit Jahren vor einem erneuten Aufflammen eines bewaffneten Konfliktes (Özkan 2008). Diese instabile Grundlage ist einer der vielen Gründe, weshalb zunächst im Juli und später im September 2020 bewaffnete Gefechte wiederaufflammten. Die Gegenstände des Konfliktes sind nach wie vor territoriale und ethnische Streitigkeiten um Berg-Karabach und angrenzende Gebiete (Stöber 2020).
Aufbau des Vortrags:
1. Akteurs Identifizierung: Who is fighting whom?
Um zu verstehen wieso der Konflikt erneut in einem Krieg endete, werden zunächst die Positionen der Hauptakteure analysiert. Im Mittelpunkt stehen dabei die Rivalität zwischen Aserbaidschan und Armenien und die Position Berg-Karabachs als de-facto Staat ohne internationale Anerkennung. In einem zweiten Schritt stelle ich mir die Frage, welche Rolle und Interessen internationale Akteure wie Russland, die Türkei und der Westen im Konflikt verfolgen. Auch internationale Organisationen wie die OSZE und die Minsk Gruppe spielen in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle.
2. Technische Entwicklungen und Kriegsverlauf
In diesem Teil wird diskutiert, wie (technischen) Kapazitäten der Kriegsparteien den Verlauf des Konfliktes beeinflusst haben. Zunächst werden die Kapazitäten beider Staaten gegenübergestellt. Außerdem evaluiere ich den Zusammenhang der jeweiligen Verteidigungsbudgets der Staaten und der wirtschaftlichen Performance der Staaten. In einem zweiten Schritt kann bei einem genauen Blick auf den Kriegsverlauf gezeigt werden, welche Technologien entscheidende Auswirkungen auf den Kriegsverlauf hatten.
Armenien und Aserbaidschan beschuldigen sich gegenseitig des Bruchs humanitären Völkerrechts durch den Beschuss ziviler Ziele. Durch die vorangegangene Analyse soll geklärt werden, inwiefern die Vorwürfe bestätigt werden können.
3. Neue Friedensverhandlungen
Wenn Armenien und Aserbaidschan bis heute unter internationaler Vermittlung nicht in der Lage waren das Waffenstillstandsabkommen auf ein längerfristiges Friedensabkommen auszuweiten, wie hoch ist dann heute die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Ziel umgesetzt wird? Dieser Teil bettet die analysierten Positionen und Narrativen der Kriegsparteien in den Kontext der internationalen Friedensvermittlungen. Ist ein Friedensabkommen dieses Mal wahrscheinlicher als vor 16 Jahren? Welche Aspekte soll ein zufriedenstellendes Abkommen beinhalten?
Literaturverzeichnis:
Abushov, Kavus (2019). Russian foreign policy towards the Nagorno-Karabakh conflict:
prudent geopolitics, incapacity or identity?, East European Studies, 35(1),72-92.
Stöber, Sylvia (2020). Ein historischer Tag im Südkaukasus, Tagesschau, Link:
https://www.tagesschau.de/ausland/armenien-aserbaidschan-bergkarabach-101.html (aufgerufen am 19.11.20)
Özkan, Behlül (2008). Who gains from the „No War No Peace“ Situation? A critical analysis of
the Nagorno-Karabakh conflict, Geopolitics, 13(3), 572-599.
Gasparyan (2019). Understanding the Nagorno-Karabakh conflict: domestic politics and
twenty-five years of fruitless negotiations 1994-2018, Caucasus Survey, 7(3), 235-250.